Wenn man als erfahrener Produzent und Regisseur eines Dokumentarfilms vor der Aufgabe steht, die letzten Jahrzehnte des deutschen Steinkohlenbergbaus für Kino und Fernsehen zu dokumentieren, fragt man sich nach einer langjährigen Filmarbeit im Ruhrgebiet zwangsläufig, was ist eigentlich die Essenz dieser Bergbaukultur in unserem Land, warum bekennen sich die Bergleute so begeistert zu ihrer Arbeit? Und was macht diesen Bergbau eigentlich aus, obwohl, was viele bezeugen können, diese Arbeit eine der schwersten und gefährlichsten der Neuzeit ist? Während der 1 ½-jährigen Dreharbeiten haben meine Kollegin Petra Neukirchen und ich uns auf Menschen, Bedingungen, extreme Situationen und die bewegte Geschichte der Steinkohlenförderung im Ruhrgebiet engagiert eingelassen. Wir begleiteten die Bergleute bei ihrer Arbeit auf den Zechen und Untertage bei oftmals 35° Celsius.
Trotz der schwierigen Bedingungen gerade im Bereich des Kohleabbaus 1200 Meter Tiefe, ist das Team den Bergleuten mit großer Offenheit und Sensibilität begegnet und hat dabei
hervorragende Arbeit geleistet. Die so entstanden großartigen Bilder und Tondokumente hat man in dieser Qualität zum Teil noch nie zu sehen oder hören bekommen. Die Szenen unter Tage und in den Zechen über Tage erlauben somit einen Blick in tiefere Zusammenhänge. Der Film macht deutlich, warum die Bergleute aufgrund der politisch gewollten Entscheidung den Steinkohlenbergbau 2018 zu beenden, bewegt und traurig sind, trotz der schweren und gefährlichen Arbeit. Ja, so haben wir das erfahren, sie sind darüber hinaus auch stolz auf ihre Lebensleistung im Bergbau und es fällt ihnen schwer, diese Arbeit loszulassen.
Mich hat schon vor zwanzig Jahren bei meiner ersten Auseinandersetzung mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet mit dem Film ABENTEUER RUHRPOTT dieses NichtLoslassen-Können beschäftigt. Jetzt, in dem neuen Film DER LANGE ABSCHIED VON DER KOHLE habe ich verstanden, um was es eigentlich geht und was der neue Film nun so eindrucksvoll zeigen kann: Die Bergleute haben in Jahrhunderten eine Kultur des Miteinanders kreiert, die es überhaupt erst ermöglichte, diese schwierige Arbeit unter Tage mehr und mehr beherrschen zu können und das auf eine Weise, dass schwere Unfälle oder gar Grubenunglücke heute kaum noch oder nicht mehr vorkommen. Sie haben sich eine Kultur des Zusammenhalts erarbeitet, die man auch heute noch überall im Ruhrgebiet finden kann. Dieses Miteinander ist ihnen etwas Wert und das ist es, was unter der Oberfläche der alltäglichen Arbeit in den Zechen seit der Gründung der RAG
1968 leuchtet. Die Bergleute ahnen, dass ihnen und damit auch dem Ruhrgebiet mit der Beendigung des Bergbaus in Deutschland diese Qualität verloren zu gehen scheint.